ESG Reporting – Darauf sollten Sie 2024 unbedingt achten

Interview mit dem Nachhaltigkeitsexperten Dr. Josef Baumüller, PostDoc-Forscher am Institut für Managementwissenschaften, Fachbereich „Finanzwirtschaft und Controlling“ an der TU Wien.

 1. Was ist ESG Reporting?

„ESG“ steht kurz für „Environmental“, „Social“ und „Governance“, d. h. ESG adressiert Kernthemen unseres heutigen Nachhaltigkeitsverständnisses – und mit „Reporting“ ist üblicherweise die Unternehmensberichterstattung gemeint. „ESG Reporting“ meint also, dass die traditionell stark auf Finanzen fokussierte Unternehmensberichterstattung um weitere, häufig qualitative Faktoren ergänzt wird. Nach außen wird damit den Stakeholdern eines Unternehmens, letztlich der Gesellschaft auf weit umfassendere Weise über die Aktivitäten von Unternehmen und über die damit verbundenen Auswirkungen Rechenschaft gegeben. Nach innen wird Bewusstsein um diese Auswirkungen und ihre Zusammenhänge mit der Lage des Unternehmens geschaffen, sodass sie bei allen Entscheidungen mit bedacht werden können – womit v. a. Ökonomie, Ökologie und Soziales in bessere Balance geraten sollen. Und damit wird ESG Reporting letztlich zu einem Schlüsselinstrument zur Forcierung einer nachhaltigen Verhaltensänderung in unserer Wirtschaft.

2. Warum wird ESG Reporting 2024 so wichtig?

Mit 1.1.2024 ist eine neue EU-Richtlinie anzuwenden: die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese führt erstmals Pflichten zu einem ESG Reporting auf einer breiten Basis ein – insb. müssen fortan alle großen Kapitalgesellschaften in der EU einmal jährlich eine „Nachhaltigkeitserklärung“ aufstellen, die Teil des Lageberichts ist und in der sehr detailliert auf die Auswirkungen von Wirtschaftsaktivitäten, aber auch auf die damit verbundenen Risiken und Chancen eingegangen wird. Bezugspunkt sind ausführlich definierte Nachhaltigkeitsaspekte, etwa Klimaschutz, Biodiversität oder die eigene Belegschaft. Da darüber hinaus die gesamte Wertschöpfungskette der berichtspflichtigen Unternehmen untersucht und dargestellt werden muss, sind de facto viel mehr Unternehmen noch auf mittelbare Weise von der CSRD betroffen. Diese müssen nämlich Daten für ihre Geschäftspartner aufbereiten, damit diese ihren Berichtspflichten nachkommen können – da sie anderenfalls wohl Probleme damit hätten, ihre Geschäftsbeziehungen fortzuführen. Kurz gesagt: Die CSRD holt damit die Nachhaltigkeitsberichterstattung in den „Mainstream“.

3. Das sollten Sie tun, bevor Sie mit ESG Reporting starten

Ein ESG Report ist nur das Endprodukt eines langen Prozesses, der tiefgreifende Folgen hat. Zunächst sind die notwendigen Voraussetzungen im Unternehmen zu schaffen – diese beginnen mit einer Analyse der genauen Betroffenheit (direkt oder indirekt? auf welchen Ebenen? nach welchen Standards?). Danach muss investiert werden: in das Know-how und in die notwendigen Tools. ESG Reporting beschäftigt Unternehmen ein ganzes Jahr über und stellt konzeptionelle, rechtliche und praktische Fragestellungen an die dort Verantwortlichen, die viel Zeit erfordern, um sinnvoll gelöst zu werden. Und hiernach folgt dann ein Thema, das auf Jahre hinweg beschäftigen kann: das notwendige Datenmanagement – zu wissen, welche Daten in welcher Granularität benötigt werden und wie diese effizient sowie verlässlich erhoben werden können. Denn schließlich wird am Ende auch ein externer Prüfer über die CSR Reports und ihre zugrunde liegenden Daten sowie Prozesse sehen und diese testieren müssen. Es ist daher wichtig, von Anfang an einen klaren Plan zu haben, wie diese lange und herausfordernde Reise in Angriff genommen werden soll.

4. Das sollte Ihr ESG Report enthalten

Ein Schlüsselelement der CSRD sind die damit neu eingeführten Standards für die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung, kurz: ESRS (European Sustainability Reporting Standards). Diese geben die geforderten Berichtsinhalte sehr detailliert vor. Neben den abzudeckenden Nachhaltigkeitsaspekten (Klimaschutz etc.) ist die Aufnahme folgender Bereiche in die Berichterstattung über diese Nachhaltigkeitsaspekte zentral: Strategien (policies), Maßnahmen (actions), Parameter (metrics) und Ziele (targets).

Parameter sind zu definieren und in Folge die dafür erforderlichen Daten zu erheben. Die daran knüpfenden Strategien, Maßnahmen und Ziele sind allerdings heikler, da hier einerseits mehr an Freiraum besteht, andererseits aber grundlegende Fragen relevant sind, die an den Fundamenten des Geschäftsmodells angesiedelt sind und für viele Stakeholder, die im Anschluss den Bericht aufmerksam lesen werden, von besonderer Bedeutung sind. Das heißt: der aufwändigste Nachhaltigkeitsbericht ist wertlos, wenn ihm keine inhaltliche Substanz zugrunde liegt; Nachhaltigkeit muss damit in Strategie und Governance gewoben werden.

5. Meine drei besten Tipps, um Ihren ESG Report zu erstellen

1) Gehen Sie das Projekt „ESG Reporting“ mit derselben Ernsthaftigkeit und demselben Anspruchsniveau an, wie Sie dies mit der Finanzberichterstattung tun. Klar kommuniziertes Ziel ist es, dass beide Formen der Unternehmensberichterstattung sich letztlich „auf Augenhöhe“ zueinander bewegen sollen.

2) Investieren Sie frühzeitig und mit aller Konsequenz. Die nunmehrigen Entwicklungen lassen sich nicht mehr aufhalten und auch das Zielbild ist klar. Man kann es sich wohl schlichtweg nicht leisten, sie zu „verschlafen“. Und je später man die notwendigen Schritte veranlasst, desto größer der Zeitdruck – was die Kosten erhöht und zugleich die erreichbare Qualität stark beschränkt.

3) Erkennen Sie die Chance hinter dem Thema ESG-Reporting. Zunächst sollte uns stets vor Augen sein, worum es geht: Um nichts weniger als die „Rettung unserer Welt“. Es gibt wahrlich schlechtere Ziele, die man verfolgen kann … Darüber hinaus entstehen neue Bedarfe auf den Märkten (weit über den EU-Raum hinaus), Qualitätskriterien werden neu abgesteckt, was das Potential in sich trägt, neue Perspektiven auch in ökonomischer Hinsicht zu eröffnen.

6. Diesen Fehler sollten Sie beim ESG Reporting nicht machen

Zu meinen, dass dies nur „Marketing“ sei, dass ein ESG Report nur dem Greenwashing dient. Diese Vorwürfe haben ihren Kontext und waren in der Vergangenheit leider nicht immer unberechtigt. Diese Zeit ist aber vorbei. Es ist inzwischen eine Frage der Legitimität und der Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells, angemessen Antworten zu Nachhaltigkeitsaspekten über das zu erstellende ESG Reporting an die Stakeholder kommunizieren zu können – und selbst die notwendigen Schlussfolgerungen aus diesen Informationen zu ziehen.